Fiona Kolbinger ist für viele wohl die Radsport-Person des Sommers 2019. Sie ist die Gewinnerin des diesjährigen Transcontinental Race. Nach ihrer Rückkehr nach Dresden hatten wir eine Überraschung für sie.

Das Transcontinental Race, auch TCR, ist ein Radrennen quer durch Europa. Auch die fünfte Ausgabe war als Selbstversorgerennen über fast 4000 km angelegt. 4 Checkpoints waren dabei zu befahren, der Rest der Tour kann selbst ausgesucht werden. Wie in den letzten Jahren auch verfolgten wir dieses Rennen als Dotwatcher vor unseren Rechnern. Insbesondere auch, weil unser Kunde Björn Lenhard in den letzten Jahren schon erfolgreich vorn mitfuhr. In diesem Jahr gesellte sich Fiona Kolbinger dazu. Auch die 24-jährige angehende Medizinerin konnten wir im Voraus mit einem Laufradsatz aus unserem Studio ausstatten. Sie fuhr mit einem soliden Satz aus DT Swiss 350er Naben, einem Son Nabendynamo und DT Swiss 500er Felgen.

Fiona Kolbinger auf ihrem TCR Rad

Siegerin nach 4000km Radfahrt

Am Ende des Rennens stand sie nach einer Fahrt vom Schwarzen Meer bis zum Atlantik in 10 Tagen ganz oben auf dem Siegertreppchen. Für die, die sie schon während der Schleudergang Baller- und Feierabendrunden erlebt haben, war fast klar, dass sie weit vorn dabei sein würde. Auch in Dresden hat sie ihre beeindruckenden Fähigkeiten auf dem Rad mehrfach aufblitzen lassen.

Schon während ihrer Tour, irgendwann um den Checkpoint 2, kamen wir mit einem unserer favorisierten Felgenhersteller Enve Composites ins Gespräch. Es ging um die Idee, Fiona in ihren sportlichen Ambitionen noch weiter zu unterstützen. Und es dauerte gar nicht lange bis klar war: Wir bauen ihr einen noch deutlich besseren Satz für ihre zukünftigen Radabenteuer. Denn auch die Mitarbeiter bei Enve waren ebenso wie wir äußerst beeindruckt über das, was Fiona da auf ihrem Rad veranstaltete.

Enve sponsort SES 3.4 AR

Enve Composites sponserte ihre neuesten Alroad Modelle – die Enve SES 3.4 AR, die wir schon hier im Magazin vorstellten. Mit der soliden 350er Nabe von DT Swiss und einem neuen Son Nabendynamo vervollständigten wir die Komponenten zu einem leichten und steifen Satz für alle Gelegenheiten. Um sie nicht abzulenken, schwiegen wir, bis sie das Rennen vollendete und teilten ihr die Überraschung erst nach ihrer Ankunft in Brest mit.

Fiona mit ihrem neuen Laufradsatz

Zum Open Studio Day luden wir Fiona nun zu uns ins Studio ein. Basti montierte ihr den neuen Laufradsatz und erklärte der wissbegierigen Fiona auch gleich die Tubeless-Montage der Reifen.
Auch zukünftig möchten wir Fiona unterstützen. Sowohl beim Thema Laufrad, als auch beim Service ihres Rades wird sie im Light Wolf Studio einen Partner haben.

Wir wünschen Fiona viel Spaß mit diesem Laufradsatz, der ihr ein guter Begleiter auf zukünftigen Fahrten sein wird.

Euer Interview mit Fiona

Im Vorhinein baten wir Fiona eure Fragen, die ihr als Dotwatcher schon während des TCRs gesammelt habt, zu beantworten. Hier nun das Interview mit den Fragen, die ihr auf unserem Instagram-Account stellen konntet.

01: Wie viele Platten hattest du auf dem Weg?

Ich hatte 3 Platten – und zwar alle auf dem serbischen Schotterhang .

02: Welche Farbe müsste dein Lieblingstrikot haben

Hellblau oder Dunkelrot.

03: Wie sah dein wöchentliches Trainingspensum aus?

Schwer zu sagen. Ich steckte noch in meiner Examensvorbereitung und hatte da nicht sooo viel Zeit. Danach war mein Trainingspensum nicht strukturiert. Ich habe dann am Wochenende meistens eine längere Tour gemacht. In Dresden gibt es eine breite Langstrecken-Community. Da habe ich mich meistens angeschlossen – zum Beispiel bei der Elbspitze VTouren bin ich zwei Touren mitgefahren. Auch die Qualifikationsbrevets für Paris-Brest-Paris bin ich mitgefahren. In der Woche bin ich bei Dresdner Radgruppen mitgefahren. Zum Beispiel beim Donnerstags-Ballern oder auch Dienstags mal zur Feierabendrunde. Aber insgesamt eher wenig durchdacht und unstrukturiert. Außerdem bin ich im Frühjahr laufen gegangen, weil das einfach Zeit spart und ich mich bewegen wollte, bevor ich mich ganztags an den Schreibtisch setze, um zu lernen. Das war aber eher als Maßnahme zum Rauskommen gedacht, denn als hartes Trainingsprogramm.  

04: Hattest du vorab einen Plan, wieviele Kilometer du am Tag fährst? Oder gar keinen exakten Plan?

Ich habe mir schon ausgerechnet, dass man 250km am Tag fahren muss, um zur TCR Party im Ziel zu sein. Mir war auch klar, dass ich mehr als das schaffen kann und will. Aber ich hatte nicht auf dem Schirm, dass es mir möglich ist, mehr als 400km am Tag über 10 Tage am Stück fahren zu können. Das hat mich selbst überrascht. Ich weiß auch nicht so richtig wie das geklappt hat. 😉 Ich hatte Tracks auf dem Garmin, allerdings nicht strukturiert nach Tag. Eher von Checkpoint 1 zu CP 2, eher natürliche Abschnitte in TCR Einheiten, die ich nicht an einem Tag schaffen könnte. Zwischen CP 2 und CP 3 habe ich zum Beispiel 2 Tracks mit jeweils 600km. Das war klar, dass ich dies nicht am Tag schaffe. Aber in welchem Zeitrahmen ich das exakt fahren kann, habe ich mir vorher nicht überlegt, aber ich wusste, dass ich über 300km am Tag schaffen kann. Damit wusste ich so ca. auf welche Zielzeit es hinausläuft.

05: Hast du Angst alleine in der Dunkelheit unterwegs zu sein? Wenn ja, was hilft dir dagegen? Gab es Momente der Angst in abgeschiedenen Landesteilen?

Eigentlich nein, ich habe sehr selten Angst allein in der Dunkelheit. Und wenn, dann betrifft es eher Situationen zB auf dem Arbeitsweg. Wenn ich jeden Tag zur selben Zeit unter der selben Autobahnbrücke hindurchfahre, habe ich eher Angst, dass mir jemand auflauern könnte. In meiner Vorstellung ist man bei Wiederholungsfahrten eher eine „leichtere Beute“ als wenn man ein einziges Mal quer durch Serbien fährt.
Ich habe aber generell noch nie schlechte Erfahrungen diesbezüglich gemacht, Gott sie Dank. Ich denke auch daher kommt meine Angstlosigkeit. Wahrscheinlich hilft das auch am besten: Fahren und gute Erfahrungen machen. Ich habe schon einige Touren gemacht und den Menschen dabei als soziales und hilfsbereites Wesen kennengelernt. Das hilft auch dabei Selbstbewusstsein aufzubauen. 

Auch in abgeschiedenen Landesteilen: Ich hatte immer das Gefühl, dass es während der Tour in relativer Nähe auch Menschen geben würde, die mir im Fall des Falles helfen könnten. Ich habe vielleicht auch intuitiv immer Schlafplätze gewählt, die nicht weiter als 2-3km von Dörfern entfernt waren. Wenn doch mal etwas passiert wäre, hätte man mich wohl gehört.

06: Welche Radhosen trägst du? 

Radhosen von 7Mesh, die ich auch sehr empfehlen kann. Thema nahtlos.

07: Thema: Hygiene als Frau?

Ich hab da zwei Vorstellungen, wohin die Frage zielt.

  1. Der Unterschied zwischen Mann und Frau auf dem Fahrrad beim Thema Hygiene: der Weg zur Blasenentzündung ist bei Frauen 20cm kürzer. Deswegen sollte man vielleicht als Frau auch noch mehr darauf achten, möglichst keimfrei zu sein. Ich habe oft mit feuchten Tüchern ausgewischt. Sowohl Körper als auch Hose. Und natürlich geduscht. Wobei das auch nur 2 mal der Fall in den Hotelübernachtungen war. Hygienisch gesehen ist das TCR natürlich eine Katastrophe. Wobei es da sicherlich keinen Unterschied zwischen Mann und Frau gibt.  
  2. Ein Radmagazin hat mich noch etwas gefragt, wohin die Frage zielen könnte: Ob ich mein Trainingsprogramm an meinen Menstruationszyklus angepasst hätte. Und wie das Thema mein TCR beeinflusst hätte.
    Ich hab das Glück, dass ich während der Menstruation nicht so sehr leide. Deswegen musste ich da auch kein Training darauf abstimmen und kann dementsprechend auch nicht wirklich gute Tipps dazu geben.

08: Wie kann es sein, dass dein Körper so wenig Schlaf verkraftet?

Weiß ich auch nicht so genau. Wenn ich das so im Alltag betrachte, finde ich das selbst ziemlich krass. Ich kann mir jetzt so auch nicht vorstellen, 10 Tage am Stück nur 4 Stunden pro Nacht zu schlafen. Ich denke ein Aspekt ist, dass man beim TCR keine geistig anspruchsvolle Arbeit verrichten muss. Man muss ja nur der Linie nachfahren. Man hat keine Verantwortung für irgendwas, außer sich selbst. Außerdem ist bei so einem Rennen natürlich ne Menge Adrenalin im Spiel. Ich denke da wird natürlich auch ein Hormoncocktail  freigesetzt, wenn man so viel Sport macht an einem Tag. 

09: Was sind deine Top-Lieder in deiner Playlist bei einsamen Nächten auf dem Rad?

Ich hab gar nichts gehört, keine Musik auf dem Rad.

Fiona mit installiertem Enve SES 3.4 AR

10: Nackenprobleme? Schmerzen im Fuß? Wenn ja, hast du einen Geheimtipp um es erträglich zu machen?

Nein, Nackenprobleme hatte ich zum Glück nie. Schmerzen im Fuß ja, meine Zehen waren taub. Das hat auch irgendwann gedrückt. Man kann aber ein bisschen die Fußposition varieren. Ich nutze MTB-Schuhe und Cleats, die finde ich einfach bequemer. Außerdem variere ich beim Treten. Mal mehr Ziehen als Treten zum Beispiel, das ist in der Ebene eine angenehme Variante die Belastung zu verändern.
Es gibt ja das sogenannte „Hot Foot“, weswegen auch Teilnehmer ausgestiegen sind. Ich hatte solche starken Probleme nicht. Man sollte Schuhe fahren, die breit genug sind.
Eine Nacht war ich unvorsichtig und bin mit nassen Socken gefahren und so sind die Füße aufgequollen. Das bereitet natürlich Platzprobleme. Also: Füße trocken halten!

11: Wie hast du deine Geräte geladen ohne zu viel Zeit zu verbrauchen?

Mit einem Nabendynamo. Zumindest für die ersten 3 Tage. Danach war die USB Buchse leider defekt. Ansonsten habe ich mich versucht vom Handy fernzuhalten und hab dieses dauerhaft in den Flugmodus geschickt. Es gibt da ja besseres zutun als am Handy zu hängen. In den Nächten im Hotel habe ich dann alles geladen: Handy, GPS Gerät, DI2, Powerbank. Sinnvolle dafür: Ein 4 auf 1 USB Stecker, der alle Geräte gleichzeitig lädt. 

12: Welchen Song, welche Melodie hattest du die ganze Zeit im Kopf?

Eigentlich keine, ich habe ja keine Musik gehört. Obwohl, um den 4. Checkpoint herum habe ich ein bisschen „The Lion Sleeps Tonight“ gesungen. 😉 

13: Was für Laufräder und welche Reifen bist du gefahren und warum?

Naja, natürlich welche von Felix Wolf aus Dresden! Reifen: Continental GP 5000 in 28mm. Das Rad kam mit dem Vorgängermodell GP4000 S2. Der Nachfolger kam dann gerade raus und ich hab sie einfach mal auf Schotter ausprobiert. Da gefielen sie mir gut. Ich hab mich aber nicht weiter damit auseinandergesetzt. Die schwersten sollten es nicht sein, aber so ganz genau hab ich mich nicht weiter damit auseinander gesetzt.  Die guten Allround-Rezensionen haben mir da gereicht. Wichtig waren mir die 28mm Breite, damit es eben auf Schotter funktioniert. Breiter wollte ich aber nicht gehen, weil ja doch der meiste Teil der Strecke des Rennens auf der Straße abspielt.

14: Wie oft (wenn überhaupt) hast du ans Aufgeben gedacht?

Nie. 

15:  Wie hoch war das Gesamtgewicht deines Fahrrads, inklusive Gepäck?

Ich hab es leider verpasst, dass Fahrrad zu wiegen. Ich weiß es nicht genau. Das Grundgewicht des Rades waren 8kg. Ohne Pedale, ohne Aufbauten, Elektronik und Gepäck. Ohne Gepäck waren es 10/11 kg. Mit Gepäck vielleicht 13/14. Aber ich weiß es wirklich nicht so genau.
Die Kiste für den Flieger mit allem und Zivilklamotten etc. waren knapp unter 20kg.

16: Wie und Wo hast du übernachtet bzw. geschlafen?

Ich hatte 10 Nächte. Die letzte bin ich durchgefahren. Also habe ich 9 mal übernachtet. Davon habe ich 2 Nächte in Hotels geschlafen. Die dritte Nacht in Nordserbien habe ich im Hotel verbracht, da ich die letzte Nacht vorher schlecht geschlafen habe. Als ich dann an einem Hotel in der Stadt vorbei kam, dachte ich das könnte eine gute Idee sein. Mit 10€ für die Übernachtung und 4€ für eine Megaportion Pasta war es auch noch günstig und es ging auch noch sehr schnell. Nach 30-40 Minuten lag ich pappsatt im Bett. Die zweite Hotel-Nacht war dann unterhalb vom Col de Galibier, da habe ich dann online nach einer Übernachtung gesucht und auch gebucht, bzw. vorher noch angerufen ob ich auch nach 12 einchecken kann.
Die anderen Nächte habe ich im leichten Schlafsack am Straßenrand verbracht. Ich bin immer gefahren, bis mir die Augen zugefallen sind und dann habe ich mich umgekuckt. Meine Schlafplätze lagen zwischen Straßengraben und Gras. Was gar nicht so übel war. Oder vor einem Lieferanteneingang eines Supermarktes in der Schweiz. Einmal auch auf einer Hollywoodschaukel in Meran und im Hauseingang einer Frau, die dann nachts heim kam. Sehr unterschiedlich also.

17: Wie hast du dich mental auf das TCR vorbereitet?

Indem ich die Strecke geplant habe. Sonst eigentlich nichts Spezielles. Kein Mentaltraining oder irgendwas.

18: Wie detailliert sah das Bikefitting im Vorfeld des TCR aus? Welche Anbauteile wurden verändert?

Ich habe gar kein Bikefitting gemacht. Ich habe mit dem Setup einige Touren gemacht und damit getestet und einige Stellschrauben am Auflieger etc. verändert, wenn er mir komisch vorkam. Also selbst.
Anbauteile: Ich habe einen Sytnace Aerobar Auflieger angebaut, Lichter habe ich montiert und die Übersetzung vorn auf 48/34 geändert. Das hat dann auch so ganz gepasst und ich bin alle Berge gut hochgekommen. MTB Pedale montiert und das wars eigentlich schon.

19. Welcher Ausrüstungsgegenstand ist bei dir immer dabei und darf nicht fehlen?

Mantelheber, Ersatzschlauch und Luftpumpe.

20.Welche Ziele hast du im Radsport? Welche Rennen und welche Brevets willst du unbedingt fahren?

Gute Frage. 😉 Ziele: Spaß haben an der Sache. Das ist für mich das allerwichtigste. Es gibt kein direktes Wunschrennen, welches ich unbedingt mal fahren muss. Aber es gibt ein paar Regionen, in denen ich auf jeden Fall fahren wöllte: in Kanada zum Beispiel, im Iran. Oder auch im Libanon, in Israel, Georgien und Armenien. Oder in Patagonien. Die Liste ist also lang. Aber direkte Veranstaltungen habe ich nicht auf dem Schirm. Das schöne am TCR ist aber, dass sich die Checkpoints jedes Jahr verändern und man so immer unterschiedliche Regionen sehen kann. Die Strecken sind immer anspruchsvoll und deswegen ist das TCR auch so reizvoll und ich möchte es mindestens noch 1,2,3 oder 8 Mal fahren. 😉

Im Namen der Frager: Danke für das Interview, Fiona! Wir freuen uns auf weitere spannende Radreisen und Rennen.

Fiona – Cap 66 vom #TCRNO5

Wer noch mehr über Fionas Rennen und das TCR erfahren möchte, kann den offiziellen TCR Podcast nachhören oder dem sehr interessanten Interview von Johanna Jahnke in ihrem Podcast Die wundersame Fahrradwelt lauschen.